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10 Tage bin ich bereits in Marokko, als ich diese Zeilen schreibe.
Und so richtig wohl fühle ich mich noch nicht. Tagelang grübele ich darüber, woran das liegt. Warum ich die meiste Zeit schlechte Laune habe und mich oft für Stunden einfach in meine Unterkunft verziehe, um durchatmen zu können.
Sobald ich die Straßen und Gassen in Marokko betrete, habe ich zwei Optionen: mich anzupassen und passend zu machen. Sodass ich so wenig wie möglich Anstoß errege und Aufmerksamkeit auf mich ziehe. Oder eben als ganz offensichtliche Touristin aufzutreten. Die Kleidung zu tragen, die ich normalerweise auch tragen würde, die Offenheit und Direktheit auszustrahlen, die ich sonst auch den Menschen zukommen lasse.
Dann muss ich damit rechnen, auch genauso behandelt zu werden.
Jeder zweite Mann spricht mich an, um mir etwas zu verkaufen oder flache Komplimente fallen zu lassen. Frauen ignorieren mich komplett oder mustern mich abschätzend.
Immer wieder betone ich hier auf Pink Compass, dass ich es wichtig und richtig finde, sich fremden Kulturen anzupassen. Dass ich ein Gast in ihrem Land bin und mich auch entsprechend verhalten möchte.
Für mich ist das selbstverständlich bisher.
Allerdings habe ich in den letzten Jahren so viel für meine Unabhängigkeit und Selbstbestimmtheit getan und diese gelebt, dass es mir schwerer als gedacht fiel, sie in Marokko wieder so einschränken zu müssen. Sie in eine kleine Kiste zu packen und nur wenige sehen zu lassen. Mir ist bewusst, dass es nur für eine begrenzte Zeit sein wird und all die Erlebnisse und Erfahrungen, die ich sammeln kann, sehr wichtige Lektionen für mich sind.
Aber es erklärt eben auch sehr gut, warum ich nicht strahlend wie ein Honigkuchenpferd durch die Straßen wandere. Warum ich in meiner Unterkunft aufatme, weil ich dort so sein kann, wie ich wirklich bin.
Allerdings hinter den verschlossenen Türen meines Zimmers.
Das klingt, als wüsste ich Marokko nicht zu schätzen. So ist es nicht.
Marokkos Architektur ist wunderschön und versetzte mich jeden Tag in Staunen. Seine Farben fingen mich überall ein, und die fremden Menschen, die uns Europäern wirklich kaum unähnlicher sein könnten, sind absolut faszinierend.
Aber alles in mir schreit, dass ich nicht dorthin gehöre, sobald der Moment der Begeisterung über ein Stück Kunst oder schöne Bilder wieder verblasst. Der Tag besteht eben aus mehr Momenten wie diesen, und in den meisten anderen ist das Bild nicht ganz so rosarot.
Vielleicht macht das den Unterschied zwischen einer Touristin und einer Reisenden aus.
Eine ewige Diskussion, die genauso heiß und innig geliebt wie auch gehasst wird. Aber um diese Diskussion, ob und wer sich welchen Titel gibt, geht es hierbei gar nicht.
Vielleicht sieht eine Touristin in einem Urlaub die wunderschönen Mosaike, taucht ein in die Verhandlungen um 50 Cent oder 1 Euro bei einem bunten Schal oder einer getöpferten Tajine, die sie sich zurück zu Hause als Erinnerung ins Regal stellen kann. Sie stopft sich den Bauch voll mit Couscous, weil sie weiß, sie wird all das nie wieder sehen und ist bloß eine Woche oder zwei dort.
Vielleicht sieht eine Reisende den Unterschied zwischen schöner Architektur, die in einem Riad von Auswanderern für den Tourismus geschaffen wurde, und der der Marokkaner. Vielleicht merkt sie nach einer Woche, dass marokkanisches Essen in seiner ursprünglichen Form recht eintönig und ungesund ist, aber eben einfach und bezahlbar für die Menschen, die dort leben.
Dass eine Tajine, wie sie bei Marokkanern zu Hause genutzt wird, nicht glasiert und mit bunten Farben bemalt ist, weil sie dann ihren Zweck gar nicht mehr wirklich erfüllen kann. All das kommt bei Touristen vielleicht gar nicht an. Verfälscht durch westlich angepasste Unterkünfte, Restaurants und Souvenirs.
Vielleicht sind das aber auch alles nur die Gedanken einer eingebildeten, privilegierten Europäerin.
Ich weiß nur, dass ich mich – als emanzipierte und feministisch geprägte Westlerin – wieder einmal schwer damit tue, all den Glanz zu bewundern, ohne den Schatten zu sehen, in dem er lebt.
Marokko besetzt in der Liste der Länder, die der Gleichheit der Geschlechter am nächsten kommen, Platz 137 von insgesamt 144. Es schafft, die Gleichstellung zwischen Mann und Frau zu 59% zu erfüllen. (Nur mal zum Vergleich: Deutschland sitzt mit 76% auf Platz 13.)
Nicht verwunderlich. Aber vielleicht die beste Erklärung, weshalb ich mich dort so fehl am Platz fühlte. Als alleinreisende Frau, mit einem eigenen Unternehmen, eigenem Einkommen und als selbstbewusste Single-Frau, die keine Kinder hat oder möchte. Ich bin dort eine Außerirdische und sehe das in den Blicken sämtlicher Menschen, mit denen ich in Kontakt komme.
Noch mehr in den Augen der Menschen, mit denen ich mich länger unterhalte.
Sie verstehen mich genauso wenig, wie ich sie, auch wenn sie höflich interessiert und durchaus auch ein wenig fasziniert wirken. Ich bin, dank der kostenlosen 13-jährigen Schulbildung, die ich erhalten durfte, gebildeter als die meisten Geschäftsmänner hier. Sie mussten auf Privatschulen gehen, um eine einigermaßen ausreichende Bildung genießen zu können.
Ich liebe es, zu sehen und zu hören, dass mehr und mehr Frauen in Marokko sich zumindest in den Großstädten zusammenschließen und ihre eigenen Unternehmen gründen.
Mein Herz jubelt, davon zu hören, dass Frauen Communities bilden, um Wissen und Fähigkeiten zu teilen, um so gemeinsam stärker sein zu können, als sie es einzeln wären. Aber trotzdem wird es auch in den nächsten Jahren immer noch eine absolute Minderheit sein, die das nicht noch neben ihren Aufgaben für ihre Familie tut.
Dass eine von ihnen Single und kinderlos bleibt?
Ja, das ist theoretisch möglich, bekomme ich gesagt. Aber aus dem Unterton schwingt mit, dass es in der Realität einfach kaum existiert.
Das ist dieses seltsame Gefühl, das mich die ersten 10 Tage in Marokko begleitet hat und für viele Touristen völlig normal ist. Für uns als Alleinreisende, besonders die Schüchternen*, ohne wirklichen Austausch mit Gleichgesinnten oder Kontakt zu anderen Westlern aber hart sein kann.
Das Gefühl der absoluten Fremdheit.
Ich frage mich, warum mir das ausgerechnet dort so geht und nicht in Südostasien?! Und dann fällt mir ein, ganz dunkel, im hintersten Winkel meines Gehirns, dass es mir dort, bei meinem allerersten Besuch*, durchaus so ging. Auf meiner Reise durch Laos, in Ecken wie Vientiane und Pakse, vor fünf Jahren.
Und nun suche ich nach Worten, die nicht unsensibel, elitär und arrogant wirken, sondern Dich einfach nur darauf vorbereiten können, wie Du Dich fühlen wirst, wenn Du Dich ganz darauf einlässt, ein Land wirklich kennenlernen zu wollen, nicht nur als Urlauberin:
Du wirst nie wirklich wie ein Einheimischer leben und vielleicht wirst Du nie den kompletten Einblick bekommen, wie sie tatsächlich ticken und denken.
Aber mit etwas Glück darfst Du ein wenig hinter den Vorhang spicken.
Und es wird teilweise anstrengend sein. Es wird sich manchmal einsam anfühlen. Oder Dich sogar traurig machen.
Also stell Dich darauf ein, vielleicht eine unbequeme Reise anzutreten, die nicht nur himmelhochjauchzend, sondern auch zu Tode betrübt beinhalten kann.
Dass Du Tage haben wirst, an denen Du Dir wünschen wirst, zu Hause bei Deinen Freundinnen zu sein, statt alleine in der Fremde. Dass Du Dir vielleicht eine Pizza suchen wirst und ein Starbucks, einfach nur, um Dich für einen Moment nicht ganz so fremd zu fühlen.
Aber rechne auch fest damit, dass diese Reise eine sein wird, die Dich so viel mehr lernen lässt, als nur auf einem Markt zu feilschen, wo Du das schönste Foto schießen oder das beste Essen finden kannst.
Eine, die Du definitiv nie vergessen wirst.
Verena meint
Hallo Carina,
ich reise am 18. November bis 29. November nach Marokko.
Start ist Cassablanca, Ende Marrakech – möchte gerne Essaouira sehen, die blaue Stadt Chefchaouen werde ich leider in 10 Tagen nicht schaffen.
Hättest du denn alternativ einen Reiserouten-Tipp. Oder Must-Sees?
Carina meint
Hi Verena,
ich war in der Gegend leider nur in Marrakech und Essaouira. Zu anderen Ecken kann ich also nicht viel sagen. Hast Du den Artikel dazu schon gesehen? -> https://www.pinkcompass.de/marokko-guide-teil-1/
Da hatte ich noch Sidi Kaouki erwähnt 🙂
Liebe Grüße,
Carina
Sylvia meint
Sehr schöner Beitrag! Ich finde es wirklich faszinierend wie sehr du versucht einzutauchen in diese Kulturen. Ich glaube wenn man anders aufgewachsen ist, fällt es eben einfach sehr schwer seine ganzen Überzeugungen einfach so zu verstecken.
Liebe Grüsse
Sylvia
Carina meint
Ja, das sehe ich ganz genauso!
Ein guter Spiegel, zur eigenen Gesellschaft, finde ich.
Liebe Grüße zurück,
Carina
Magdalena meint
Hallo Carina,
du hast da einen wunderbaren Artikel verfasst. Gerade wenn man viel reist, ist man oft dem Vorurteil erlegen, dass das Reisen nur aus Spaß und guter Laune besteht. Aber das tut es eben nicht. Wie alles im Leben hat auch das eine andere Seite – ich nenne es bewusst nicht Schattenseite, denn das klingt zu hart. Aber es gibt immer Momente, in denen wir uns schwach oder einsam oder demotiviert fühlen. Und ja, auch wenn man den „Traum“ lebt und viel unterwegs ist. Denn das gehört nun mal dazu.
Danke für deine offenen Worte!
Liebe Grüße
Magdalena
Carina meint
Danke, Magdalena 🙂
Du sprichst mir da absolut aus der Seele!
Kirsten meint
Hallo Carina,
danke für deinen Text. Ich hatte das Glück Marokko vor zwei Wochen von einer anderen Seite kennenzulernen, aber ich war auch nicht alleine unterwegs. Das Gefühl der Fremdheit kenne ich trotzdem. Mir ging es letztes Jahr in Indien bei einer Dienstreise so (wobei das Essen dort besser war).
Schön dass du so viel aus deinen Erfahrungen ziehen kannst und dies mit uns teilst. Für mich ein Anlass meine eigenen Erfahrungen nochmal neu einzuordnen.
Liebe Grüße
Kirsten
Carina meint
Hi Kirsten,
wenn man nicht alleine reist, ist Marokko glaube ich eine komplett andere Erfahrung. Irgendwann möchte ich dort auch noch mal in Begleitung hin und mir die ganzen Ecken anschauen, die ich dieses Mal ausgelassen habe.
Liebe Grüße zurück,
Carina
Marion meint
Hallo Carina
danke für deine offenen Berichte und Worte. Ich finde mich sehr oft wieder. War ja gerade in Mexiko und selbst da durfte ich ein wenig hinter die Schleier blicken. Nicht immer lustig…
Verbundenheit nach zu Hause finde ich meist in der Natur, irgendetwas ist da immer ähnlich – habe in Mex Pilze gesammelt wie hier und 3 mal wunderbar mit Freunden dort gegesssen…
Ja Introvertiert ist ein Thema auch bei mir und zuhause verstecke ich mich gerade total – komme hier nicht wirklich gut, klar obwohl ich mich um nen neuen Job kümmern müßte! Es tut soo gut deine Erfahrungen und Tipps zu lesen – danke von Herzen und gutes Sein in Deutschland
Carina meint
Hi Marion,
spannend, dass es Dir in Mexiko da ähnlich ging. Dort habe ich mich sehr wohl gefühlt. Freut mich aber, dass Du da schon Strategien für Dich gefunden hast. Und ich kenne das – in Deutschland igele ich mich auch häufig komplett ein…
Ganz liebe Grüße,
Carina
Susanne meint
Liebe Carina, ich finde es toll, dass du nicht nur schreibst, wie super schön die Welt ist und wie toll dies und jenes ist, sondern auch immer wieder uns als Leser an deinen Gedanken über die Gesellschaft und deren Lebensverhälnissen teilhaben lässt. Mir hilft das, so Manches realistischer einzuschätzen, sodass vor Ort nicht plötzlich die vollkommende Desillusion kommt. Vor allem deine Aufrichtigkeit ist lobenswert und hilft, nicht blauäugig zu sein. Vielen Dank dafür
Carina meint
Hi Susanne,
freut mich sehr, dass Du es so siehst! Mir geht es da genauso. Ich lese lieber authentische Berichte. Sie müssen nicht alles benörgeln (das mag ich dann auch wieder nicht…) aber ich mag es, wenn man Alternativen aufzeigt oder Tipps, damit umzugehen. Das versuche ich also auch hier immer wieder 🙂
Liebe Grüße,
Carina
Rachel meint
Hi Carina,
ich finde es sehr gut, dass du diesen Aspekt auch mal ansprichst. Ich kenne dieses Gefühl nur zu gut…Man will sich ja anpassen aber zu welchem Preis? Will man seine ganzen Überzeugungen fallen lassen aus Respekt einer anderen Kultur gegenüber? Und in wie weit respektiere ich dann noch meine eigenen Werte?
In manchen Ländern fällt es mir schwer da die Waage zu halten. Die Waage zwischen dem „Ich möchte mich anpassen und respektvoll sein“ und „Ich will so etwas auf keinen Fall einfach so hinnehmen“. Aber wie du schon sagst, solche Situationen bringen auch immer etwas positives mit sich. Es hat mir z.B. sehr stark gezeigt, was ich will und was nicht und hat somit stark zu dem beigetragen, was ich heute bin/wofür ich kämpfen will (Frauenrechte, usw…).
Liebe Grüße aus Belgien 🙂
PS: danke, dass du so herrlich bodenständig bleibst! Ich verfolge seit einigen Jahren ein paar Reiseblogs und 99% sind entweder total kommerziell oder super unpersönlich geworden.
Carina meint
Hi Rachel,
ganz genau die gleiche Erkenntnis hatte ich auch. Dass es mir besser zeigt, was ich will, wie ich heute bin und was ich in der Welt gerne vorantreiben möchte. Freut mich riesig, dass wir dabei schon zwei sind!
Und danke, für das liebe Kompliment <3
Liebe Grüße zurück nach Belgien,
Carina
Yvonne meint
Liebe Carina,
erst einmal danke für deine Artikel über Marokko und dafür, dass du alles ein wenig kritischer siehst. Tatsächlich waren deine Berichte der Grund dafür, dass ich es jetzt Montag tatsächlich wage und alleine (über 30, blond, Single, kinderlos etc…) nach Marokko fliege. Marrakesch und Féz stehen auf dem Plan und ich bin unheimlich neugierig aber auch gleichzeitig gespannt und ein wenig ängstlich.
Ich lebe zwar in Mittelamerika (Guatemala) und habe in der Region unzählige Reisen alleine gemacht aber ein arabisches Land ist zumindest im ersten Moment in meinen Gedanken noch ein wenig extremer. Ist es in Südostasien auch so und hast du dich dort in allen Ländern beim ersten Mal fremd und nicht zugehörig gefühlt?
Erst einmal danke für die vielen Tipps und dafür, dass du mir Mut gemacht hast es als Frau alleine zu wagen 😉
LG ausnahmsweise aus Deutschland
Yvonne
Carina meint
Hi Yvonne,
vielen Dank für die lieben Worte!
Ja, mir ging das sogar in Südostasien damals beim allerersten Besuch so. Alles ist für mich fremd und andersartig, wenn ich zum ersten Mal in eine neue Kultur reise. Je unähnlicher sie unserer westlichen ist, desto mehr. Ich bin aber auch – ironischerweise – ein Mensch, der sich nur sehr langsam mit Veränderungen anfreunden kann. Das ist einer der Gründe, warum ich weiter reise. Um nicht zu verstocken und irgendwann zur Katzenfrau mit einem Haus im Wald zu werden 😀
Es ist sicher erst mal unbequem in einer neuen Kultur, aber aus meiner eigenen Erfahrung kann ich sagen, es lohnt sich immer, sie kennenzulernen.
Ganz liebe Grüße,
Carina
Katrin meint
Ich war dort als Urlauberin.
Für 10 Tage – mit männlicher Begleitung.
Trotzdem habe ich mich genau so gefühlt wie du es in diesem Artikel beschrieben hast.
Carina meint
Danke Katrin, für Deinen Einblick!