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*Ein Gastartikel und Fotos von Samira*
„Du läufst den Jakobsweg? Cool! Aber ganz alleine? Hast du keine Angst??“
Wie oft ich diese Reaktion auf meine Reisepläne bekam, kann ich gar nicht mehr an einer Hand abzählen.
Männer, Frauen, Familie, Bekannte. Alle waren sich einig: Wer auf dem Jakobsweg allein als Frau pilgern möchte, muss irgendwie einen an der Waffel haben. Oder schlimm was zu verarbeiten. Oder beides.
Doch weder das eine noch das andere trifft auf mich zu. Ich wollte, musste einfach laufen, und zwar allein.
Was mir vorher nicht wirklich bewusst war, wurde mit jedem Schritt, jedem Kilometer deutlicher: Das Allein-Laufen ist zentraler Bestandteil des Jakobswegs.
Es ermöglicht dir, wirklich bei dir selbst zu sein. Dich selbst zu spüren. In dich hineinzuhören.
Alleinsein macht uns Angst, weil wir es verlernt haben. Wir sind immer vernetzt. Auch wenn wir nicht physisch mit jemandem sprechen, sind wir auf sozialen Netzwerken ständig am Kommunizieren.
Auf dem Jakobsweg allein als Frau zu pilgern, kann dir dabei helfen, die Stopp-Taste zu drücken. Oder zumindest die Pause-Taste. Das langsame Vorankommen wirkt dabei als natürliche Bremse deiner schnellen Welt. Es ist, als würdest du wortwörtlich einen Gang zurückschalten.
Interessant ist, was das Allein-Wandern mit den Gedanken anstellt: Anstatt sie klar und strukturiert zu machen, scheint es sie auf eine Achterbahn zu schicken.
Versuche nicht, deine Gedanken zu lenken – lass sie spielen!
Ich hatte mir fest vorgenommen, über einige wichtige Dinge in meinem Leben nachzudenken. Damit der Weg mir wirklich etwas bringt, dachte ich, wäre es wichtig, zumindest mit einem geordneten Kopf zurückzukehren.
Doch genau diese festen, geordneten Bahnen haben meine Gedanken verlassen.
Ich merkte, dass ich sie nicht lenken möchte, dass sie sich meiner Steuerung widersetzen wie eine Herde kleiner Wildpferde. Dass sie umherschweifen, Altes und Vergessenes hervorholen. Und dass genau jenes das eigentliche Ventil ist, das dieser Weg in einem öffnet. Vielleicht geht es ja auch viel mehr darum?
Du spürst deinen Körper, deine Füße, deine Erschöpfung. Die Meditation findet sehr körperlich statt. Du riechst den Wald, hörst den Regen, deine Schritte auf dem wechselnden Untergrund. Bald schon schaust du nicht mehr nach unten, sondern hörst nur noch, worauf du läufst:
Schotter. Erde. Asphalt. Wahnsinn.
Die Sinne schärfen sich, sobald Du allein in der Natur bist. Es ist, als würden Deine Instinkte aus einem langen Winterschlaf aufwachen.
Besiege deine Angst vor dem Alleinsein!
Was passiert, wenn diese Stille, dieses Bei-dir-Sein von anderen Pilgern oder Tieren durchkreuzt wird? Ich selbst hatte vor dem Weg eher Angst vor übergriffigen Männern als vor der Natur, wenn ich ehrlich bin.
Eines möchte ich dir mit auf dem Weg geben: Als Frau den Jakobsweg allein zu gehen, ist nicht gefährlicher, als abends in einer Großstadt herumzulaufen. Ich behaupte einfach mal, dass Letzteres sogar deutlich gefährlicher ist!
Du wirst die meiste Zeit niemanden treffen, vor allem wenn du wie ich einen wenig begangenen Weg wie den Camino Ingles wählst.
Die anderen Mitpilger waren oft allein laufende Männer (etwa doppelt so viele wie allein laufende Frauen). Und nie, nie ist mir einer auch nur einen Schritt zu nahe gekommen.
In den Pilgerherbergen bist du auch nie allein, sondern unter vielen. Ein weiterer Grund, das Allein-Laufen am Tage in allen Zügen auszukosten.
Und was ist mit den Tieren?
Ja, auf dem Jakobsweg wirst du oft an Höfen vorbeikommen, auf denen Hunde aggressiv und lautstark bellen. Ich bin aber keinem begegnet, der nicht angeleint oder hinter einem Zaun eingesperrt wäre. Hier heißt es: Zähne zusammenbeißen und weiterlaufen.
Generell ist das Pilgern auf dem Jakobsweg allein als Frau eine absolute Geheimwaffe, um dich selbst zu stärken und deinen Ängsten zu stellen.
Allein. Ohne Zuschauer. Ohne Rettungsanker.
Ein Beispiel:
Ich hatte immer schon große Angst davor, alleine durch einen dunklen Wald zu laufen. Eine Angst, die wohl sehr viele teilen. Mich dieser Angst zu stellen, war nie der Plan (wie gruselig!), doch auf dem Jakobsweg bot sich mir die Gelegenheit.
Ich startete oft so früh, dass es noch stockfinster war. Die Wege sind innerhalb der Ortschaften beleuchtet, verlieren sich danach aber schnell im Wald. Im dunklen Wald. Ich kramte in meinem Rucksack nach meiner Stirnlampe, fand sie nicht – und beschloss, in das Dunkel hineinzulaufen.
Die Gefahr, so sagte ich mir, geht nicht von der Natur, sondern viel mehr von den Menschen aus. Und dort war kein Mensch.
Es waren die Bäume, die Geräusche, vor denen ich Angst hatte.
Doch sobald ich im Dunkel des Waldes verschwunden war, wurde meine Angst von einer gewissen Neugier abgelöst. Wie klingt so ein Wald in der Nacht? Was rieche, was fühle ich? Es passierten um mich herum viel zu viele spannende Dinge, um mich noch mit meiner Angst zu beschäftigen.
Als ich aus dem Wald heraustrat und hinter den Hügeln die Sonne aufgehen sah, war ich so stark, so glücklich, dass mich die Schönheit der Natur geradezu überwältigte.
Niemand da, außer mir, mit dem ich das Gefühl teilen konnte.
Manchmal braucht man Glück nicht teilen, damit es sich verdoppelt. Dann lässt es das eigene Herz einfach auf die doppelte Größe anschwellen.
Solltest du noch daran zweifeln, ob es für dich das Richtige ist, als Frau auf dem Jakobsweg allein zu pilgern, dann denk an die vielen anderen starken Frauen, die diese Erfahrung gemacht haben.
Es wird bei dir dasselbe auslösen, ob du willst oder nicht.
Die große Erleuchtung bleibt vielleicht aus. Die kleinen Erleuchtungen aber, die Stärken und die Auseinandersetzung mit deinem Gedankenkarussell – die wirst du so nur haben, wenn du dich allein auf die Wanderschaft begibst.
Der Jakobsweg allein als Frau: praktische Links zur Planung
So ein Jakobsweg verlangt natürlich auch nach etwas Planung. Dein Rucksack sollte nicht mehr als 10% deines Körpergewichts wiegen. Du brauchst gute Schuhe. Und vor allem: ansonsten ziemlich wenig. Minimalismus, Baby!
Folgende Links haben mir bei der Planung sehr geholfen:
Verpasse nicht die Chance, diese reinste Form der Quality Time mit dir selbst zu verbringen. Sei diejenige, die selbstständig und bewusst die Stopp-Taste betätigt.
Angst? Nein. Dazu bist du viel zu stark!
Samira ist die Bloggerin hinter Chronisch Fabelhaft. Dort findest Du ratgebende und positive Artikel zum Leben mit multipler Sklerose.
Hol Dir auch ihr Buch „Und morgen Santiago“, in dem sie von ihren Erfahrungen auf dem Jakobsweg erzählt, hier auf Amazon*!
barbara borleis meint
hallo ihr mutigen frauen!
so richtig beruhigend, dass es dich noch frauen gibt, die gerne allein unterwegs sind!
ich habe vor 3 jahren 2 esel gekauft, die tragen mir mein gepäck, und bin seit 3 jahren wandernd unterwegs, zur zeit auf der via de la plata. und hatte noch nie nie probleme damit, cool, gell!
weiter so 🙂
Dagmar Thiessen meint
Hallo Samira,
danke für deinen Blog und die Möglichkeit, die interessanten Beiträge der starken und mutigen Frauen zu lesen!
Ich bin coronabedingt in der Heimat geblieben und bin im Mai startend von Flensburg bis Ulm ( ca. 1350km) gelaufen….59 Tage, 59 Unterkünfte, 59 x Wahnsinn einfach MACHEN!!! Dagmar aus Hamburg
Sonja meint
Hallo, ich bin Sonja ich möchte dieses Jahr den Jakobsweg alleine gehen. Es ist ein Traum schon immer gewesen, nach meinem Schlaganfall vor 5 Jahren und schweren Depressionen bin ich jetzt in Rente und habe viel Zeit. Ich spreche kein Spanisch könnte das ein mango sein den Küstenweg alleine zu laufen?
Carina meint
Hi Sonja,
ich weiß, dass Samira Spanisch spricht (und ich bin den Jakobsweg leider noch nicht gelaufen) aber ich kann mir vorstellen, dass der Weg und die Stops viele Ausländer gewohnt sind und Du sicher auch mit Englisch gut durchkommen würdest. Ich wünsch Dir eine ganz tolle Zeit!
Liebe Grüße
Carina
Sabrina meint
Danke…. Du machst mir soooo viel Mut. Im Juli 2022 geh ich los. 4 Monate allein.
Carina meint
Sabrina, das klingt toll!! <3 Samira hat mittlerweile auch ein Buch über ihre Zeit auf dem Jakobsweg geschrieben, wenn Du das vorher noch lesen möchtest: "Und morgen Santiago: Auf dem Jakobsweg zu mehr Zuversicht und Glück. Mit Multipler Sklerose – von Samira Mousa"
Ich wünsch Dir eine ganz tolle Zeit!
Liebe Grüße
Carina
Katja meint
Liebe Pilger:innen, und die, die es noch werden wollen.
Ich bin in diesem Jahr schon das 6. mal gelaufen. Ich kenne alle Caminos mit allen Hürden und Tiefen. Aber auch mit drm Freuden der Natur und den Menschen auf dem Weg.
Ein paar mal bin ich verunfallt,
( Beckenbüche, Kopfverletzung usw.) das hinderte mich jedoch nicht, wieder von vorn zu beginnen.
Bin meist allein gegangen, im August mit meinem Sohn.
Ich bin so dankbar und demütigen geworden, und habe meine Gesundheit schätzen gelernt.
Im nächsten Jahr , nach meinem 79. Geburtstag, werde ich wieder laufen.. immer ein bisschen langsamer, aber ich genieße alles.
Ich bin dankbar für alles, aber auch traurig, weil ich meinen Mann zu Hause lassen Muss.
Buen camino 👣